Alte Kirche

Innenansicht, Grundriss und Kirchenfenster

Alte Kirche

 

Der Bau der Evangelischen Kirche am Alten Markt
Beschlossen 1676 und eingeweiht 1763


Nach dem Dreißigjährigen Krieg wuchs die lutherische Gemeinde, so dass ihr das
Rathaus, in dem Gottesdienst abgehalten wurde, nicht mehr genügte. Sie beschloss daher den Bau einer eigenen Kirche und ernannte zu diesem Zweck am 23. Juli 1676 einen Ausschuss, der bevollmächtigt wurde, den bevorstehenden Kirchenbau ins Werk zu setzen und anzutreiben. Als Verantwortliche wurden Berndt Bonnebruch, Meister Diederich Nottebaum und Meister Mollenhoff benannt.

Als Bauplatz hatten Diedrich Schmedden, Kaufmann in Libau (Kurland) und sein Halbbruder Johann Schilder, den ihnen erblich zustehenden Freihof in Wattenscheid "mit dem Beding geschenkt, dass ihnen in der Kirche ein Monument errichtet werde"; wie am 14. Oktober 1676 ihr Vetter Detmar Schmedden zu Bochum mitteilte. Die Schenkung war schon am 3. Februar 1674 erfolgt und wurde am 9. September 1681 wiederholt, als ein Vertreter (Kollektant) der Gemeinde in Kurland für den Kirchbau sammelte, und mit dem Gerichtssiegel der Stadt Libau und des Sekretärs Unterschrift bekräftigt. Als fromme Christen erwähnen sie in der Schenkungsurkunde ausdrücklich ihre Liebe zur Freiheit Wattenscheid.

Der Freistuhl gehörte ursprünglich zum Hause Sevinghausen und war als adeliger Sitz in der Freiheit und wegen seines Femestuhls von bürgerlichen Lasten befreit. Nach der Schließung des Freistuhls war der Freihof von Vincenz von Eickel zu Sevinghausen gegen eine Jahresgabe an Geld und Hühnern in Erbpacht verkauft worden und gelangte schließlich durch mehrere Hände in den Besitz der Halbbrüder in Libau. Kaum hatte die lutherische Gemeinde angefangen, Steine auf den Platz zu fahren, die Bäume zu fällen und die Kirche zu bauen, da erhob die Erbherrin, Jenne Dinsingh, Witwe des Johann Nessel, beim Bochumer Drosten Beschwerde. Sie bat den weiteren Bau zu verbieten und die Steine fortschaffen zu lassen. Auch der katholische Pfarrer Nedelmann, die beiden Adeligen Bernardt von Dobbe zu Lyren und Bernardt von der Wenge von Haus Sevinghausen, die Kirchmeister und die Vorsteher des Kirchspiels machten in einem Schreiben vom 2. März 1677 die kurfürstliche Regierung aufmerksam, dass einige "Widderspennige unter dem Namen einer lutherischen Kirche sich erkühnten, eine lutherische Kirche zu bauen", und bemerkten, dass ihnen dies neue Werk zu ihrem höchsten Schaden gereiche.

Leider kann die Grundsteinlegung der neuen Kirche nicht genau festgelegt werden. Es müssen aber schon vor 1677 Baumaßnahmen getroffen worden sein, denn die Schenkung des Bauplatzes durch die Halbbrüder erfolgte schon 1674 und wurde 1676 von ihrem Vetter bestätigt.

Weder durch die Einsprüche der Katholiken noch durch die Klage der Jenne Dinsingh ließen sich die Lutheraner unter ihrem Pfarrer Heinrich Lehmann (1670 - 1705) von ihrem Kirchbau abbringen. Am 26. Januar 1677 genehmigte die Regierung in Cleve den Antrag der lutherischen Gemeinde in Wattenscheid, und empfahl, dieses Vorhaben durch milde Gaben zu unterstützen. Der Große Kurfürst Friedrich-Wilhelm I. (1640-1688) gestattete es der armen Gemeinde in Wattenscheid, auch in benachbarten "Landen" zu kollektieren.

Am 25. Mai 1685 wiederholte der Kurfürst seine Sammel-Konzession, "durch Setzen der (Sammel-) Beeiden vor den Kirchentüren", die wegen Krankheiten ins Stocken geratene Kollekte fortzuführen. Nicht nur in Brandenburg, sondern in anderen Ländern wurden von den Wattenscheidern milde Gaben mit Genehmigung der betreffenden Landesherrschaft gesammelt; so erfolgte am 19. Juni 1691 eine Genehmigung durch die Herrschaft von Jever (Ostfriesland). Insgesamt sind drei Kollektenbücher, die auf diesen Reisen geführt wurden, erhalten.

Auf 460 Seiten, die uns bis heute erhalten geblieben sind, werden Tausende von Spendern, sowohl Gemeinden als auch Privatleute, aus sämtlichen Landesteilen des brandenburgisch-preußischen Staates, aus Städten am Niederrhein, den Niederlanden, Frieslands, Oldenburgs, selbst Kurlands und Livlands getreulich verzeichnet. Die Eintragungen stellen für den Historiker und Soziologen eine Fundgrube über die Zu- und Missstände in den Zeiten des Holländischen Krieges (1672 - 1679) des französischen Königs Ludwig XIV. gegen die Niederlande, Brandenburg und Spanien und des Schwedischen Krieges (1675 -1679) zwischen Brandenburg und den Schweden dar. Viele Eintragungen sprechen von der Not der einzelnen Städte. Die Auszüge zeugen von der Armut, aber auch von dem Opferwillen der wirtschaftlich völlig ruinierten Gemeinden. In diesen Zeiten der sozialen Not wurde der Große Kurfürst zum entscheidenden Sponsor des evangelischen Kirchenbaus in Wattenscheid.

Trotz ihres kurfürstlichen Gönners und der dadurch eingegangenen Spenden kam der Kirchenbau nur langsam voran. Die Bauakten sprechen unentwegt von Schwierigkeiten. 1686 spendete Peter Pungardiß 8000 Dachpfannen, die aber erst 1694 mit Docken aufgelegt waren. Noch im März 1695 klagte der Dachdecker Hermann Frencklingh wegen nicht gezahlten Lohnes. 1690 musste eine neue Kollekte aufgelegt werden. Als im Mai 1694 der Kanzelaltar geliefert wurde, war das Gewölbe im Westteil der Kirche nächst der Orgel noch nicht vollendet, vielmehr erhielt der aus Deventer stammende holländische Meister Henrich am 19. Februar 1696 den Auftrag, das Gewölbe zu vervollständigen.

Das Verzeichnis der Plätze in den Kirchenbänken, das Pfarrer Wegmann um 1740 aufgestellt hatte, zählt in verschiedenen Bankkomplexen, so z, B. "Oben aufm Chor nördlicher Seiten" oder "Frauleutbänke" 327 Sitzplätze auf. Die hohe Zahl der Bankplätze lässt darauf schließen, dass möglicherweise im Chorraum eine Empore bestanden hatte, die beim Bau der Westempore abgerissen wurde. In einer Liste sind die Namen der Bankinhaber getreulich verzeichnet.
Wenn man bedenkt, dass in der katholischen Pfarrkirche die Reformation vakant gewordenen Kirchplätze von den Lutheranern an die Katholiken meistbietend versteigert wurden, so kann man die Bedeutung der namentlichen Auflistung ermessen. Die Liste vermittelt einen Eindruck von der Mitgliederzahl der evangelisch-lutherischen Gemeinde zu Wattenscheid. Im Gemeindebezirk, zu dem neben der Freiheit Wattenscheid (Stadtbezirk) auch die Bauernschaften Westenfeld, Höntrop, Sevinghausen, Günnigfeld, Hordel, Aschenbruch, Ückendorf, Bulmke, Braubauerschaft (Bismarck), Hüllen und Haus Leithe gehörten, wohnten demnach etwa 350 - 400 Lutheraner.
Als 90 Jahre später Pfarrer Johann Friedrich August Schulze am 24. Mai 1835 das Verzeichnis der gesamten Gemeindemitglieder vorlegte, war die Zahl einschließlich der wenigen Reformierten nur auf 527 Seelen gestiegen. Es werden in diesem Verzeichnis auch Söhne, Töchter, Mägde und Knechte erwähnt. Andere Berichte sprechen von 1000 Seelen. Die Lutheraner in Wattenscheid haben jedenfalls mit ihrer neuen Kirche ein Gotteshaus erstellt, dass für die nächsten Jahrzehnte die Zahl der Kirchenbesucher durchaus fassen konnte.

Die Gemeinde feierte nun voll Freude endlich am 28. September 1763 die Einweihung der Kirche unter ihrem Pfarrer Engelbert Wegmann. dem Sohn von E.T. Wegmann. Auch über das Jahr 1763 hinaus waren noch Arbeiten an der Kirche erforderlich. So stiftete der aus Wattenscheid stammende und in Amsterdam tätige Kaufmann Mauritz Brunstein am 14. April 1772 300 Reichstaler zum Bau eines steinernen Plattenfußbodens, der noch heute in der Kirche liegt. Demnach müssen die Spender beim "Hochzeitsfest" auf gestampftem Lehmfußboden gefeiert haben. Brunsteine jüngste Schwester war mit Pfarrer Engelbert Wegmann verheiratet.

Aus: 300 Jahre Kanzelaltar von Werner Bröker (redaktionell bearbeitet von Norbert Philipp)

ALTE KIRCHE - Kleuker Orgel

 

erbaut 1964, Detlev Kleuker, Brackwede/Technik: Schleifladen, mechanische Trakturen, historischer Prospekt